Rezension zu “Ich bin Sexarbeiterin”, erschienen im Limmat Verlag Zürich, 10. Dezember 2020, 160 Seiten. Herausgegeben vom Appell “Sexarbeit ist Arbeit” (www.sexarbeit-ist-arbeit.ch)

Beschreibung:
Sehr schönes, kleines hardcover Büchlein mit silberfarbenem Umschlag, rotem Einband und ein paar Farbbildern der Frauen oder des Ambientes. Es enthält Porträts und Texte von Frauen über Sexarbeit in der Schweiz.

Inhalt:
Das Buch entstand ursprünglich aus der Situation heraus, dass im Jahr 2018 viel über ein Sexkaufverbot in der Schweiz und auch in Deutschland gesprochen wurde. Daraufhin haben 9 NGOS als Antwort die gemeinsame Stellungnahme “Sexarbeit ist Arbeit” formuliert. Um nicht nur ÜBER Sexarbeiter:innen, sondern auch MIT ihnen zu sprechen, entstand dieses Büchlein und es wurden hierfür neun Frauen und ein Mann porträtiert. Ergänzt werden die Porträts durch vier weitere Fachtexte. Leider wurden ursprünglich mehr Frauen interviewt, diese haben aber aufgrund von persönlichen Gründen die Veröffentlichung wieder zurück gezogen. Und dies verdeutlicht gleich die vielen Probleme vor denen Sexarbeiterinnen auch heutzutage immer noch (oder wieder!) stehen: die Angst vor Stigmatisierung in der Gesellschaft und im privaten Umfeld, sowie die meist fehlgeleitete “Unterstützung” von Behörden. Die Porträts sind alle sehr persönlich gestaltet und die Frauen erzählen ihre Lebensgeschichte, sprechen über ihre vorherige und jetzige Lebenssituation, ihre Beweggründe in der Sexarbeit tätig zu sein und teilen uns ihre Zukunftswünsche oder Träume mit. Zudem wird mehrmals betont, dass grundsätzlich jede Sexarbeitende individuell ist, mit individueller Lebensgeschichte und unterschiedlichen Beweggründen für den Einstieg in die Sexarbeit – d.h. Das Buch kann nicht für alle Sexarbeitenden sprechen, diesen Anspruch hat es aber auch nicht. In den Porträts wird deutlich, dass es sich hierbei um “normale” Sexarbeitende handelt, welche nicht unter “Luxusbedingungen” arbeiten, was man vielleicht als Unwissender von der Schweiz vermutet haben könnte. Der Sprachstil ist, obwohl die Porträts von unterschiedlichen Autoren geschrieben wurden, durchgehend angenehm, leicht und zugleich niveau- und würdevoll.

Fazit:
Das Buch beschönigt nichts, möchte aber auch ganz klar dem Vorurteil entgegen treten, dass ‘alle Frauen, die in der Sexarbeit tätig sind, dies unfreiwillig machen und/oder Opfer von Menschenhandel’ wurden – denn dem ist nicht so. Vielmehr möchte das Buch und seine Herausgeberinnen für die Rechte von Sexarbeiterinnen kämpfen und diese unterstützen. Folgende 9 NGOS (Aids-Hilfe Schweiz, Aspasie, cfd Die feministische Friedensorganisation, FIZ Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration, Lysistrada Fachstelle für Sexarbeit, ProCoRe Nationale Geschäftsstelle Sexarbeit, TERRE DE FEMMES Schweiz, Xenia Fachstelle Sexarbeit, Zürcher Stadtmission) fordern im Anhang einheitlich:
– Keine Stigmatisierung von Sexarbeitenden!
– Faire und selbstbestimmte Arbeitsbedingungen für Sexarbeitende!
– Kein Verbot des Kaufs von sexuellen Dienstleistungen!
– Verbesserter Schutz vor Gewalt für Sexarbeitende!

Mein persönliches Fazit:
Für mich ist dieses Buch ein ganz besonderes Buch – gleich nach der Veröffentlichung Ende 2020 entdeckte ich es. Wenig später kaufte ich es mir und es war der Grundstein für die Idee einen Buchblog mit Rezensionen über Bücher aus dem Sexgewerbe zu schreiben. Außerdem finde ich es immer sehr interessant, “echte” Stimmen aus dem Rotlicht zu hören und über deren Beweggründe zu lesen. Das Buch wirkt authentisch und es möchte kein Kassenschlager sein, was auch bestätigt, dass es in einem kleinen Verlag veröffentlicht worden ist. Der Preis von 29 € ist für mich gerechtfertigt, da es hochwertig aufgemacht ist und es von “echten Sexarbeitenden” handelt. Im Jahr 2020 war außerdem das erste Jahr der Corona-Pandemie und wir befanden uns mitten im 2. Lockdown – ich fragte mich ernsthaft, ob nun dieses Buch das letzte Zeitzeugnis über das Rotlicht sein würde und alles niemals mehr werden wird wie es zuvor war – Gottseidank trafen diese Befürchtungen nicht ein!
Abschließend sei gesagt, dass mich der Titel des Buches sehr bewegte, wie als ob ich zu mir selbst sprechen würde und er war für mich auch eine Bestätigung für mein neues, erfüllenderes und aufregenderes Leben:
“Ich bin Sexarbeiterin.”