Rezension zu „Give a fck – zwischen Sexualität, Tabu und Selbstbestimmung – warum Sexarbeit uns alle etwas angeht.“ von Catrin Altzschner. Erschienen im Verlag &Töchter, 25.11.2022, 240 Seiten.

Kontext:
Die Autorin studierte u.a. Germanistik und ist schon jahrelang als Journalistin tätig. Im Rahmen ihres 1LIVE-Podcasts „Intimbereich“ kam sie auch mit Sexarbeiterinnen in Kontakt und somit der Wunsch auf, mehr hinter die Fassade zu blicken und mit weiteren Menschen über Sexarbeit zu sprechen. Daraus entstand dieses Buch, welches sowohl Sexarbeits-positive Menschen als auch Prostitutionsgegnerinnen zu Wort kommen lässt.

Inhalt:
Die Kapitel des Buches beleuchten verschiedene Themen und porträtieren verschiedene Personen. Es wird dabei über den Unterschied zwischen privaten, sexuellem Tauschhandel und somit den „Heiligen“ und den sexuellen Dienstleistungen der „Huren“ siniert. Es wird auf das Stigma und dem einhergehenden Doopelleben, dem Sexarbeitende ausgesetzt sind eingegangen und die aktuelle Gesetzeslage erläutert. Es finden sich 4 Kapitel mit jeweils „Gedanken über“: privaten sexuellen Tauschhandel, Armut, Menschenhandel sowie Pornografie. Porträtiert werden eine Domina, eine Ex-Prostituierte, eine ehemalige Sozialarbeiterin, Nicole & Sarah als Straßensexarbeiterinnen, Andrada im Bordell arbeitend, Master Andre (ein Dominus), ein Sugarbabe und Nina de Vries eine Sexualassistentin.

Fazit:
Wie im Klappeninnentext angekündigt, wird die Lektüre des Buches sehr unbefriedigend – dem kann ich nur zustimmen. Jedoch hat das Buch nicht den Anspruch, eine abschließende Meinung oder gar Bewertung zu vertreten – es wird das Für und Wider gegen ein Sexkaufverbot und damit einer Einführung des nordischen Modells in Deutschland beleuchtet. Zumindest kommen in dieser Debatte beide Seiten im Buch einigermaßen zu Wort – das ist nicht selbstverständlich.

Persönliches Fazit:
Grundsätzlich rezensiere ich nur Bücher mit einer pro-Sexwork-Haltung – bei vorliegendem Buch trifft dies leider nicht (vollständig) zu.
Auffallend ist, dass die zwei bekanntesten Sexkauf-Gegnerinnen in Deutschland, inklusive einer Dame in diesem Buch, alle durch negative Umstände in der Prostitution gelandet sind. Zitat Seite 127: „Alle drei Frauen sind minderjährig und unter emotionalen und finanziellen Nöten oder aufgrund von gewaltsamen Eingriffen von außen in die Prostitution geraten.“ !!!
Dass diese Frauen nun gegen „Sexkauf“ und somit für das „nordische Modell“ sind, liegt auf der Hand. Leider kommt die Gegenseite in dieser Debatte grundsätzlich und auch im Buch, meines Erachtens, zu wenig zu Wort.
Ein großes Problem in der Diskussion von sexuellen Dienstleistungen sind auch unsere Moralvorstellungen über Generationen hinweg: Geld ist „böse“ – zu viel Sex ist „schlecht“ und somit unterliegt es einem sehr großen Stigma, SEX für GELD anzubieten oder wahrzunehmen. (Dass man bei mir „mehr“ als eine „sexuelle Dienstleistung“ bekommt, brauche ich, glaube ich, nicht zu erwähnen.) 😉

Wie kann man nun als Mann und Gast herausfinden, ob eine Frau sich in einer prekären Lage befindet?
Manchmal ist es offensichtlich, aber meist erst durch mehrere Besuche herauszufinden, was die wahren Beweg- und Hintergründe für die Tätigkeit sind. Dies geht nur durch viel Vertrauen – meist jedoch verlaufen die Bemühungen der Männer im Sande, da viele Frauen geschickt sind im Vertuschen oder dem Erfinden von den wildesten Geschichten, nach dem Motto: man sägt nicht auf dem Stuhlbein des Stuhles auf dem man sitzt. (Woher ich das weiß? Aus vielen Erzählungen meiner Gäste und ich habe schon das ein oder andere zum Thema gelesen.)

Insgesamt fiel mir das Lesen und vor allem die Rezension dieses Buches sehr schwer, da es einerseits auf sprachlich und fachlich sehr hohem Niveau geschrieben ist und andererseits sehr sensible Themen behandelt und meine Emotionen bzgl. der Einführung des nordischen Modells sehr zum Kochen brachte.
Das Buch ist trotzdem empfehlenswert zur freien Meinungsbildung.

Abschließend möchte ich sagen, dass ich sehr, sehr froh bin mich auf der Sonnenseite des Rotlichts und in einer privilegierten Lage zu befinden!

Ich wünsche mir noch viele weitere, glückliche Jahre im Rotlicht mit meinen lieben Gästen, wovon einige schon wie meine Freunde geworden sind. 🤍🤍🤍